Was Forscher zur digitalen Lehre aus Studierendensicht ans Licht bringen

Master-Student Wieland Müller sagt: „Es gibt Unterschiede zwischen den Vorlesungen der einzelnen Professoren“. (Foto: privat).
Master-Student Wieland Müller sagt: „Es gibt Unterschiede zwischen den Vorlesungen der einzelnen Professoren“. (Foto: privat).
Professor Michael Leyer legt großen Wert auf interessante und gut verständliche Online-Vorlesungen. (Foto: Universität Rostock/Julia Tetzke).
Professor Michael Leyer legt großen Wert auf interessante und gut verständliche Online-Vorlesungen. (Foto: Universität Rostock/Julia Tetzke).

„Erste Ergebnisse zeigen, dass Studierende mehr digitale Live-Veranstaltungen benötigen, je mehr Vorbehalte sie hinsichtlich fehlender sozialer Interaktion und Motivation haben“, sagt Professor Leyer, der international als Digital-Experte geschätzt wird. „Digitale Lehrformate sollten die Interaktion zwischen den Teilnehmern fördern“, unterstreicht Leyer. Allerdings sollten die Studierenden aus Datenschutzgründen nicht zur Sichtbarkeit gezwungen werden.

Was bedeutet das für die Universitäten? Hochschulen stünden vor der großen Herausforderung, innovative Technologien sinnvoll, praktisch und lernförderlich einzusetzen. Und was bedeuten die neuen Formen des akademischen Lehrens und Lernens? Professor Leyer beantwortet die Frage so: „Die Lehrenden brauchen Unterstützung, damit sie eigenständig ihre Lehre digitaler machen können.“ Digitalisierung beginne mit Didaktik, also mit der Art und Weise der Vermittlung des Lehrstoffes, sagt Leyer. Erst dann kann man sich über passende technische Möglichkeiten Gedanken machen.

Master-Student Wieland Müller, der seine Zukunft im Dienstleistungs-Management sieht, sagt dazu: „Es gibt Unterschiede zwischen den Vorlesungen der einzelnen Professoren. Während die einen die Vorlesung als Video anbieten, geben andere Live-Vorlesungen und Seminare“. Letzteres hält der 23-Jährige für sinnvoll. „Man kann mit Kommilitonen und Dozenten über das Thema sprechen. Bei hochgeladenen Videos bleibt es den Studenten alleine überlassen, wann und wo und ob sie sich damit beschäftigen“, sagt der junge Rostocker. Das setze ein hohes Maß an Selbstorganisation voraus, um nicht eines Tages vor einem großen Berg von Aufgaben zu sitzen.

Universitätsrektor Professor Wolfgang Schareck hält es bei der Entwicklung der Kompetenz zur Selbstorganisation für angehende Akademiker dennoch für eine Grundvoraussetzung, dass Studierende den engen und persönlichen Austausch mit Lehrenden sowie Kommilitoninnen und Kommilitonen haben. Der persönliche Kontakt sei ein hohes Gut, betont der Rektor. „Die Quintessenz liegt für mich weniger in der speziellen Plattform, solange sie zuverlässig ist, weil auch kleine Störungen oder Ausfälle sehr schnell demotivierend wirken und im Geschick der Lehrenden, Präsentationen in welcher Form auch immer, gut mit interaktiven Elementen zu durchsetzen. Sie fördern die Vigilanz, die aktive Gestaltung und sicher auch den langfristigen Lernerfolg“. Darüber hinaus würden solche Lehrformate auch nach der Pandemiezeit die Hochschullehre bereichern, im Sinne eines blended learning, nicht nur durch den Wechsel von Präsenz zu digitalem Lernen, sondern auch durch den Wechsel von rezeptivem und proaktivem Lernen.

Während für die einen die Umstellung auf digitale Lehre Flexibilität bedeutet, ist es für andere eine große Herausforderung. „Die Vorbehalte der Studenten müssen ernst genommen und abgebaut werden“, argumentiert Professor Leyer nach ersten Ergebnissen der Studie, insbesondere was fehlende Motivation und Bedenken beim Datenschutz betreffe. „Es müssen verschiedene Varianten des Einbringens von Studierenden angeboten werden, per Chat oder Ton, um die Barrieren für Studierende zu senken“. Der Rostocker Professor sieht neue Möglichkeiten für digitale Lehrveranstaltungen. Welche? Er formuliert es so: „Grundlagenthemen können in kurzen Online-Videos bereitgestellt und die persönliche Zeit für Diskussionen genutzt werden, aber auch Studierende in digitalen Lehrveranstaltungen für Kleingruppenarbeiten vernetzt werden, die sich sonst nicht spontan im Vorlesungsraum zusammengefunden hätten.“ Ziel müsse es sein, so Professor Leyer, dass die Lehrenden auch einen „Kundenblick dafür bekämen, was sich die Studis (Erwartungen bzw. Bedenken) für die Lehre wünschen.“ Neben der Fachdidaktik sei dies wichtig, damit Studierende die Inhalte auch erfolgreich verstehen können. 
Text: Wolfgang Thiel

Kontakt:
Prof. Dr. Michael Leyer
Universität Rostock
Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät
Tel.: +49 381 498-4100
michael.leyer@uni-rostock.de

 


Back