Jede Probe unbekannt – Wissenschaftlerinnen der Universität Rostock entdecken neue Wurmart im eisbedeckten Südpolarmeer

Die neu entdeckte Wurmart Anobothrus konstantini aufgenommen unter dem Binokular. Am Vorderende ist eine einzelne Kieme zu erkennen.
Die neu entdeckte Wurmart Anobothrus konstantini aufgenommen unter dem Binokular. Am Vorderende ist eine einzelne Kieme zu erkennen.
Dreidimensionale Mikro-CT-Aufnahme vom Vorderende von Anobothrus konstantini, erkennbar sind die Bruchstellen der acht Kiemen.
Dreidimensionale Mikro-CT-Aufnahme vom Vorderende von Anobothrus konstantini, erkennbar sind die Bruchstellen der acht Kiemen.
Friederike Säring bereitet die Sedimentkerne vor, damit diese für weitere Untersuchungen in zentimeterdicke Proben geschnitten werden. (Foto: Gritta Veit-Köhler, Senckenberg am Meer)
Friederike Säring bereitet die Sedimentkerne vor, damit diese für weitere Untersuchungen in zentimeterdicke Proben geschnitten werden. (Foto: Gritta Veit-Köhler, Senckenberg am Meer).
Mit Hilfe eines so genannten Multicorers werden mehrere Sedimentkerne gleichzeitig aus dem Meeresboden „gestanzt“. Dafür werden die am Probennahmegerät befestigten Plexiglasröhren in den Boden gedrückt und verschlossen vorsichtig wieder nach oben und an Bord befördert.  So bleiben auch kleine, empfindliche Organismen in den Sedimentproben erhalten. (Foto: Gritta Veit-Köhler, Senckenberg am Meer)
Mit Hilfe eines so genannten Multicorers werden mehrere Sedimentkerne gleichzeitig aus dem Meeresboden „gestanzt“. Dafür werden die am Probennahmegerät befestigten Plexiglasröhren in den Boden gedrückt und verschlossen vorsichtig wieder nach oben und an Bord befördert. So bleiben auch kleine, empfindliche Organismen in den Sedimentproben erhalten. (Foto: Gritta Veit-Köhler, Senckenberg am Meer).

Rostocker Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen nicht nur den Klimawandel und dessen Folgen für die Ostsee, sondern auch die Auswirkungen dieser Veränderungen auf das Leben am Meeresboden im weit entfernten Südpolarmeer. Viele Arten und Organismen aus dieser Region sind bisher noch unbekannt; ihre Untersuchung kann aber wichtige Hinweise auf die Folgen des Klimawandels geben. Denn: Jede untersuchte Sedimentprobe kann etwas Unbekanntes enthalten.

Die neu entdeckte Wurmart trägt den Namen Anobothrus konstantini und ist mit einer Länge von 1 cm ein eher kleinerer Vertreter in der Klasse der so genannten Vielborster oder lateinisch Polychaeta. Anobothrus konstantini gehört zu den weniger aktiven Würmern am Meeresboden. Er lebt in kleinen Röhren, die er sich aus feinen Sandkörnern im Boden aufbaut. Den Namen konstantini verdankt der Wurm übrigens seiner Entdeckerin Friederike Säring, die ihrem Bruder Konstantin hiermit eine besondere Freude machen wollte.

Noch ist unbekannt, was genau der kleine Wurm frisst. Die Wissenschaftlerinnen gehen aber davon aus, dass er sich – wie seine verwandten Schwesterarten – von Mikroalgenresten ernährt, die sich auf dem kargen Meeresboden unter einer hohen Meereisbedeckung sammeln. Hier hält sich auch die neu entdeckte Art am liebsten auf. Es wird vermutet, dass genau diese mageren Lebensräume am Meeresboden in den kommenden Jahren und Jahrzehnten besonders von den Folgen des Klimawandels betroffen sein werden. Umso wichtiger ist es, ihre bisher noch weitestgehend unbekannten Bewohner kennenzulernen und mit ihrer Hilfe, die Veränderungen der eisbedeckten Meeresböden zu untersuchen.

„Bis jetzt sind die Gesamtheit des Ökosystems und die Biodiversität des antarktischen Meeresbodens für diese Gebiete noch mit vielen Lücken behaftet. Es ist darum wichtig, auch weiterhin dieses uns Menschen doch eher ferne und unzugängliche, aber seltene Ökosystem in seiner Einzigartigkeit zu verstehen und auch zukünftig zu schützen“, erklärt Mitautorin der Studie Heike Link die Relevanz der Arbeit ihrer Doktorandin.

„Die Bestimmung und Beschreibung von Anobothrus konstantini sp. nov. ähnelte einer Detektivarbeit, denn die Untersuchungen des zerbrechlichen und empfindlichen Körpers brachten ein paar Schwierigkeiten mit sich“, erläutert Friederike Säring ihre Arbeit. Verschiedene bildgebende Verfahren, unter anderem ein 3D-bildgebendes Verfahren (die so genannte Mikro-Computer-Tomographie, auch als Mikro-CT bezeichnet), ermöglichten die exakte Untersuchung des Wurmes. Nur so konnten Säring und Kollege Andreas Bick Bruchstellen von Kiemen, also fadenförmige Atmungsorgane, am vorderen Ende feststellen - unentbehrlich für die richtige Beschreibung der Art (Bild 2).

Die Forscherinnen erhoffen sich, mehr Informationen über die Lebensweise dieses Wurms und seiner Verwandten, und damit ihrer Gefährdung durch den Klimawandel, herauszufinden. Für Heike Link geht es daher Anfang März an Bord Polarstern schon wieder in Richtung Antarktis um neue - bestimmt unbekannte - Proben zu sammeln.

Publikation: Saering, F., Bick, A., Link, H. (2022): A new Anobothrus species (Polychaeta, Ampharetidae) from the Weddell Sea (Antarctica), with notes on habitat characteristics and an updated key to the genus, European Journal of Taxonomy 789(1), 130–152. https://doi.org/10.5852/ejt.2022.789.1637

Kontakt:
Friederike Säring
Universität Rostock
Department Maritime Systeme
Tel.: +49 381-498 3192
friederike.saeringuni-rostockde


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