Künstliche Intelligenz in der Rostocker Literaturwissenschaft

Dr. Ulrike Henny-Krahmer, Juniorprofessorin für digitale Geisteswissenschaften am Institut für Germanistik der Universität Rostock, untersucht, wie die Künstliche Intelligenz in der Literaturwissenschaft eingesetzt werden kann (Foto: Joachim Mangler/Universität Rostock).

Gibt man in den Chatbot „ChatGPT“ die Stichworte „künstliche Intelligenz“ und „Literaturwissenschaft“ ein, ist zu lesen, dass KI-Modelle Texte analysieren können. „Auf diese Weise können in der Literatur Muster, Themen oder Stil identifiziert werden. KI kann darüber hinaus große Mengen von Texten schnell durchsuchen und relevante Informationen extrahieren.“ Zitatende.

An der Universität Rostock hat im April des vergangenen Jahres das Projekt „CANSpiN“ begonnen, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird. „CANSpiN“ steht für Computational Approaches to Narrative Space in 19th and 20th Century Novels" (Computergestützte Zugänge zu narrativem Raum im Roman des 19. und 20. Jahrhundert). Im Projekt wird untersucht, wie diese neue Technologie in speziellen Anwendungsgebieten der Literaturwissenschaft eingesetzt werden kann.

Federführend ist Dr. Ulrike Henny-Krahmer, Juniorprofessorin für digitale Geisteswissenschaften am Institut für Germanistik der Universität Rostock. Sie versteht sich als Verbindungsglied zwischen den Geisteswissenschaftler:innen um den Germanistikprofessor Holger Helbig von der Uwe-Johnson-Professur für Neuere deutsche Literaturwissenschaft des 20. Jahrhunderts und den Mathematiker:innen um Roger Labahn, außerordentlicher Professor für Mathematik, die das dreijährige DFG-Projekt zusammen mit Ulrike Henny-Krahmer leiten.

Ziel der Wissenschaftler:innen ist es, Modelle für die Analyse von deutsch- und spanischsprachigen Texten aus dem 19. und 20. Jahrhundert zu dem Überthema „Raum“ zu entwickeln. „Wir wollen uns die Handlungsorte oder Raumbeschreibungen anschauen und überprüfen, wie man sie mit Hilfe der KI automatisch erkennen kann“, sagte Henny-Krahmer.

Für diese Aufgabe bringt sie beste Voraussetzungen mit. Schon als Studentin arbeitete Henny-Krahmer beim „Cologne Center for eHumanities“ (CCeH), einem Kompetenzzentrum für digitale Geisteswissenschaften an der Universität zu Köln. Für ihre Promotion an der Universität Würzburg stellte sie ein Textkorpus aus 256 lateinamerikanischen Romanen des 19. Jahrhunderts zusammen und analysierte die Texte mit maschinellen Lernverfahren nach Untergattungen wie Liebesromanen, historischen Romanen oder Sittenromanen.

Diese Arbeiten sind die Vorlage für die Analyse der Texte im aktuellen DFG-Projekt, in dem auch neuere KI-Methoden wie neuronale Netze zum Einsatz kommen sollen. Zunächst müssen die dazugehörigen Algorithmen entwickelt werden, die die raumbezogenen Worte und Textfelder erkennen. Dies sei das methodische Ziel des Projekts, sagt Henny-Krahmer. „Ich will nicht nur 90 Prozent in der Genauigkeit der Ergebnisse. Ich will wissen, welche Kriterien für die Entscheidung der KI wichtig waren.“ Denn die KI werde dazulernen, um dann die entscheidenden Literaturstellen zu erkennen.

Henny-Krahmer ist von den Vorteilen der KI überzeugt. So könnten künftig Verlage die neue Technologie anwenden, wenn es darum geht, Neuerscheinungen mit Schlagworten zu versehen. Literaturrecherchen für Wissenschaftler:innen gingen immens schneller, viel mehr Texte könnten erfasst und analysiert werden. „Es können dann auch literarische Entwicklungen über mehrere Jahrhunderte hinweg auf einer großen Textgrundlage untersucht werden.“  Hier gibt es auch Anknüpfungspunkte für sprachwissenschaftliche, kulturwissenschaftliche und historische Forschungen, zum Beispiel wenn literarische Werke zur kulturellen und nationalen Identitätsbildung beitragen.

Über das DFG-Projekt „CANSpiN“https://www.canspin.uni-rostock.de/


Kontakt:
Jun.-Prof. Dr. Ulrike Henny-Krahmer
Universität Rostock
Institut für Germanistik
Digital Humanities
Tel.: +49 381 498-2555
ulrike.henny-krahmeruni-rostockde


Dr. Kirstin Werner
Pressestelle Universität Rostock
Universitätsplatz 1
18055 Rostock
Tel.: +49 381 498-1012
kirstin.werneruni-rostockde
www.uni-rostock.de

 

 

 


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