Rostocker Wissenschaftler forschen an Kniegelenken einer neuen Generation

Der 27 Jahre junge Wissenschaftler Jan-Oliver Saß an der Prüfmaschine zur Charakterisierung der mechanischen Eigenschaften der neuartigen Titanlegierungen (Foto: Universität Rostock/Thomas Rahr).
Der 27 Jahre junge Wissenschaftler Jan-Oliver Saß an der Prüfmaschine zur Charakterisierung der mechanischen Eigenschaften der neuartigen Titanlegierungen (Foto: Universität Rostock/Thomas Rahr).

Diese neuen Materialien bestehen aus einer Oxidkeramik und einer Titanlegierung mit Niob und Tantal als metallische Elemente. Herausfordernd ist für die Rostocker Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Professor Rainer Bader: „Titan und Keramik sind Werkstoffe, die sich nicht so einfach verbinden lassen.“ Zudem, so hebt Doktorand Jan-Oliver Saß hervor, sei die neue Titanlegierung, die sie untersuchen, noch nicht auf dem Weltmarkt verfügbar. Der 27-jährige gebürtige Rathenower, der in Rostock im Bachelor- und Masterstudiengang Biomedizinische Technik studierte, gehört zum Team von Rainer Bader. Mit Unterstützung weiterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des FORBIOMIT untersucht Jan-Oliver Saß zum einen biologische und mechanische Eigenschaften der Titanlegierungen.

Zum anderen charakterisiert er mit Hilfe von Laborexperimenten und per Computersimulationen erste Funktionsdemonstratoren des hybriden Knie-Implantats. Die Anforderungen dabei erklärt Jan-Oliver Saß, der in seiner Freizeit Volleyball in der Verbandsliga spielt und dort als Trainer und Mannschaftsleiter agiert, so: „Während der Operation und insbesondere im alltäglichen Leben müssen das spätere Implantat und damit die verschiedenen Werkstoffe hohen mechanischen Belastungen im Körper standhalten. Aus diesen gegebenen Randbedingungen aussagekräftige Experimente und Computersimulationen abzuleiten, ist sehr komplex, aber eben für eine fundierte Grundlagenforschung und präklinische Untersuchung der Implantate unabdinglich.“

Auf Kongressen in Österreich und Portugal hat Jan-Oliver Saß der Fachwelt bereits erste Ergebnisse des Verbund-Projektes mit dem Titel HYTIMOX präsentiert und große Aufmerksamkeit erhalten. Doch müsse noch einiges zur Verbindungs-Technologie der beiden Werkstoffe Keramik und Titan geforscht werden, was nicht ohne Grundlagenwissen von Werkstoffen und der Implantat-Technologie gehe.

Das derzeitig eingesetzte Material für metallische Implantatkomponenten künstlicher Kniegelenke auf Basis von Kobalt, Chrom und Molybdän ist nicht unkritisch. Über die vielen Jahre, die das Knie-Implantat erfolgreich im Patienten funktionieren soll, entstehen Abriebpartikel, und es werden Kobalt- und Chrom-Ionen freigesetzt, die schädlich für den menschlichen Organismus sein können.

„Bei solch einer Aufgabe mit an Bord zu sein, ist extrem spannend“, sagt Jan-Oliver Saß. Dabei ist ihm der intensive Fachaustausch mit Expertinnen und Experten aus Industrie und Wissenschaft enorm wichtig. Ziel sei, eine verschleißfeste Keramik als Gleitpartner für den künstlichen Kniegelenkersatz zu etablieren. Doch diese verbindet sich grundsätzlich nicht fest mit dem umgebenden Knochen. Daher der Kern des Projektes: Die neue Titanlegierung, die an den Knochen gut anwächst, mit der verschleißfesten Keramik zu kombinieren. Wie diese beiden Implantatmaterialien fest miteinander verbunden werden, daran forschen die Rostocker Wissenschaftler.

Was HYTIMOX für die Forscherinnen und Forscher bedeutet, erklärt Professor Rainer Bader, Leiter vom FORBIOMIT kurz so: „Im Projekt stehen wir vor der Herausforderung, neue Technologien für die spätere Anwendung als Implantatmaterial zu qualifizieren“.  Im Projekt, das innerhalb des Rahmenprograms „Hybride Materialien – Neue Möglichkeiten, Neue Marktpotenziale (HYMAT)“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird, sind auch mehrere regionale Unternehmen als Projektpartner eingebunden.

Das Rostocker Prüflabor Innoproof als einer von mehreren Praxispartnern führt mechanische Tests des Titan-Keramik-Verbundes durch. „Unsere Probekörper, also zwei Zylinder, die aus Titan beziehungsweise Keramik bestehen, werden im wahrsten Sinne des Wortes, in einer Prüfmaschine auseinandergerissen“, erklärt Privatdozent Dr. Daniel Klüß, der Chef des Prüflabors. Dabei wirken gewaltige Kräfte, etwas mehr als eine Tonne. „Beim Versagen kommt es zu einem ordentlichen Knall, und dann wissen wir, ob die Verbindung stabil ist oder nicht“, sagt Daniel Klüß. Aktuell werden neue Versuche entwickelt, „damit wir herausfinden, welche Fügetechnik ideal ist“. In einem nächsten Schritt wird bei der Firma Innoproof ein erster Funktionsdemonstrator des Kniegelenks mit den neuen Materialien getestet. Text: Wolfgang Thiel

 

Kontakt:
Jan-Oliver Saß
Universitätsmedizin Rostock
Forschungslabor für Biomechanik und Implantattechnologie
Orthopädische Klinik und Poliklinik
Tel.: +49 381 494-9343


Zurück zu allen Meldungen