Sportwissenschaftler rät: Sportunterricht muss Spaß machen

Malte Simon beim Jonglieren in der Mittagspause (Foto: Nina Kupper).
Malte Simon beim Jonglieren in der Mittagspause (Foto: Nina Kupper).

Der 32-jährige Doktorand hat in seiner Studie in drei Altersgruppen (5. Klasse, 10. Klasse und bei Sportstudierenden) untersucht, wie der sportliche Lernprozess durch freudbetontes Agieren verbessert werden kann. In seiner Studie nutzt er zum Beispiel Bewegungsspielformen wie Fangespiele, um, wie er sagt, „Lachanlässe“ zu provozieren. „Aufgrund der Spielstruktur bauen sich vermehrt bewegungsbezogene Spannungsbögen auf, die in einer unentschiedenen Situation münden, z. B. ob man der/dem Fangenden noch entwischen kann. Im Auflösen der vorliegenden Inkongruenz entsteht ein Spannungsabfall, der Freude und Lachen bei Kindern auslöst“, weiß der Sportwissenschaftler, der selbst durch die Liebe zum Sport an die Universität Rostock gekommen ist.

Malte Simon hat den Effekt verschiedener Aktivierungsformen auf das Erlernen des Jonglierens verglichen. Über einen Zeitraum von acht Wochen wurde einmal wöchentlich eine Gruppe mit freudbetonten Bewegungsspielen, eine weitere Gruppe per Lauf-ABC­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­ – also Kniehebelauf, Hopserlauf, Anfersen und Rückwärtslaufen – und eine Vergleichsgruppe gar nicht aktiviert, um anschließend das Jonglieren in einer zehnminütigen Übungsphase zu erlernen. Das Ergebnis fasst Malte Simon kurz so zusammen: „In allen Altersstufen konnte gezeigt werden, dass die Aktivierungsformen, in denen Spaß eine wichtige Rolle spielt, den anschließenden Lernprozess positiv beeinflussen und die Teilnehmenden im Vergleich zu den beiden anderen Gruppen jeweils signifikant verbesserte Ergebnisse erzielen“.

Durch empfundene Freude und das Lachen während der sportlichen Aktivität sind Kinder motivierter, konzentrierter und widmen sich dem Lerngegenstand mit höherer Aufmerksamkeit. „Auf diese Weise kann sportliches Lernen in der Schule unterstützt werden. Durch positive Emotionen und häufigere Erfolgserlebnisse begeistert der Sportunterricht Schülerinnen und Schüler zudem für außerschulisches Sporttreiben“, sagt der gebürtige Hamburger, der an der Universität Rostock Sport und Mathematik für das Lehramt an Gymnasien studiert hat.

Der Sportunterricht alleine könne die Folgen von Bewegungsmangel in der Kindheit jedoch nicht ausgleichen. Studien zeigen, dass Kinder immer häufiger an einfachen motorischen Übungen scheitern würden und der Bewegungsmangel nicht nur gesundheitliche, sondern auch soziale Folgen habe, so Malte Simon. „Kinder brauchen eine individuelle Sinnperspektive. Der Sportunterricht kann durch eine freudbetonte Vermittlung dazu beitragen, gerne Sport zu treiben. Wir wissen, dass positive Bewegungserfahrungen eine anhaltende sportliche Aktivität begünstigen.“

Malte Simon spielt Fußball beim TSV Graal-Müritz und weiß aus eigenem Erleben: „Freudbetonte Emotionen motivieren dazu Leistungen abzurufen.“ Und die Erkenntnis aus der Studie von Malte Simon: „Als Sportlehrkraft geht es darum, das vorherrschende Leistungsprinzip des Sports aufzubrechen und ein Lernangebot zu gestalten, das möglichst alle Schülerinnen und Schüler für eine gesunde Lebensführung und ein Sportengagement auch außerhalb der Schule begeistern kann“. 

Das Phänomen kennt auch Dr. Heiko Lex, Leiter des Hochschulsportes der Universität Rostock. Er sagt: „Die Ergebnisse der Arbeit von Malte Simon zeigen, dass die Lehrkräfte ihr Know-how und Know-why eher in den Dienst der Schülerinnen und Schüler und nicht vorrangig in den Schuldienst stellen sollen, um die individuellen Lernziele durch die Berücksichtigung emotionaler Zustände zu erreichen.“

Es gilt, die Befunde durch weitere Studien auszudifferenzieren, um die Forderungen zur Gestaltung des Sportunterrichts nach dem Spaßprinzip zu fundieren. Grundsätzlich sei der Auftrag des Schulsports aus Sicht von Malte Simon, die ganzheitliche Entwicklung der Schülerinnen und Schüler zu unterstützen und dabei individuelle Bedürfnisse zu berücksichtigen. „Lachen ist ein markanter Eckpunkt des kindlichen Bewegungslernens, welches durch eine angemessene Gestaltung der Vermittlung im Sportunterricht angeregt werden kann.“ Eine wichtige Schlussfolgerung aus Simons Studie: „An den Schulen wird Sport mit zu wenig Spaß praktiziert. Es braucht einen generellen Gedankenwechsel.“ Welchen? Malte Simon formuliert es so: „Weg von dem Slogan: ‚Mit der Schule beginnt der Ernst des Lebens‘, sondern lieber ‚Mit Freude das Lernen beflügeln‘.“

„Maltes Arbeit zeigt, dass Humor und Freude sportliches Lernen unterstützen können“, betont auch Professor Christian Rode vom Institut für Sportwissenschaft. „Lehrerinnen und Lehrer sollten sich vermittlungsrelevante Auswirkungen einer freudbetonten Gestaltung vergegenwärtigen und Äußerungen von Freude nicht als Unterrichtsstörungen behandeln, sondern im Sinne eines ganzheitlichen Sportunterrichts gestatten oder sogar gezielt herbeiführen“, rät der Wissenschaftler.  Text: Wolfgang Thiel

 

Kontakt:
Malte Simon
Universität Rostock
Institut für Sportwissenschaft
Telefon: +49 381 498-2752
malte.simon2uni-rostockde

 

 

 


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