Starthilfe für Zellen beim Wachstum in einem künstlichen Implantat

Das Bild zeigt die Zellbiologinnen Prof. Dr. Barbara Nebe (l) und Dr. Henrike Rebl (r). Auf dem Monitor ist eine mit Farbstoffen markierte Zelle zu erkennen. Copyright: Universität Rostock/Joachim Mangler
Das Bild zeigt die Zellbiologinnen Prof. Dr. Barbara Nebe (l.) und Dr. Henrike Rebl. Auf dem Monitor ist eine mit Farbstoffen markierte Zelle zu erkennen. (Foto: Universität Rostock/Joachim Mangler).

Was bringt eine Zelle dazu, sich auf ein für sie unbekanntes Terrain zu begeben und dort ihrer „regulären Arbeit“ nachzugehen. Die Antwort darauf liegt in der Beschaffenheit der angebotenen Oberfläche. So viel ist klar – doch es gibt noch unzählige weitere Fragen, die die Zellbiologinnen und Zellbiologen im Sonderforschungsbereich 1270 ELektrisch Aktive ImplaNtatE – „ELAINE“ der Universität Rostock beschäftigen. Ein Blick in die Grundlagenforschung.

Können künftig große Knochendefekte, wie sie beispielsweise nach einer Tumorentfernung auftreten, mit künstlichen Implantaten aus dem 3D-Drucker geheilt werden? Dies ist eine der Fragen, mit denen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Sonderforschungsbereichs 1270 ELektrisch Aktive ImplaNtatE – „ELAINE“ der Universität Rostock beschäftigen. Dabei reicht es nicht aus, möglichst passgenaue und knochenähnliche Implantate zu entwickeln – diese müssen auch vom Organismus angenommen und mit körpereigenen Zellen besiedelt werden.

Hier setzt die Arbeitsgruppe um die Zellbiologin Prof. Dr. Barbara Nebe an. Sie untersucht mit ihrem Team die bestmöglichen Bedingungen, unter denen die auf den Knochenaufbau spezialisierten Zellen, die Osteoblasten, angeregt werden können. Ziel ist es, dass die Zellen in die kleinen Kanäle des dreidimensionalen Implantatgerüstes einwandern, dort heimisch werden und dann auch noch die knochenbildenden Proteine, wie etwa das Kollagen, und Mineralien produzieren.

„Ohne eine komplette Besiedelung des Implantats kann keine Verbindung mit dem gesunden Knochen entstehen“, sagt Nebe, die derzeit kommissarische Leiterin des Instituts für Zellbiologie an der Universitätsmedizin Rostock ist. „Wir wollen nun wissen, wie sich die Zellen bewegen, wie die Strukturen in der Zelle aussehen oder wie die Zellen durch externe Stimulation zum Wachstum angeregt werden können.“ Zu diesen äußeren Einflüssen gehört unter anderem die Elektrostimulation, die im Sonderforschungsbereich „ELAINE“ vorangetrieben werden soll. Denn es ist bekannt, dass Zellen schneller wachsen, wenn sie elektrisch stimuliert werden. Genau dafür werden in verschiedenen „ELAINE“-Arbeitsgruppen kleine, aber hochaktive Implantate entwickelt.

Eine der Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Besiedelung ist die geeignete Beschichtung des Implantats. Damit sollen die Oberflächen zell- und gewebefreundlicher werden. „Wir haben gelernt, dass mit den Beschichtungen sogar das Knochenwachstum gesteuert werden kann“, sagt die Biologin Dr. Henrike Rebl. Dafür reichen schon Beschichtungen im Nanometerbereich (1 Nanometer = 1 Milliardstel Meter) – „quasi ein Hauch von nichts.“

Die Zellbiologinnen und Zellbiologen konnten auch zeigen, dass eine „moderat positive Ladung“ der Oberfläche die Anhaftung der Zellen und deren Wachstum verstärken kann. Ohne den zusätzlichen Anreiz einer modifizierten Oberfläche würden die Zellen gar nicht in die Tiefe des Implantatgerüstes vordringen wollen.

„Es ist aber auch eine Frage nach der Dosierung der Ladung: Denn es gibt auch ein zu viel des Guten“, sagt Nebe. Zu starke Ladungskapazitäten hätten langfristig einen negativen Effekt. Dies sind wichtige Hinweise für die Entwickler der elektrisch aktiven Implantate, die in der Nähe des Knochendefekts eingesetzt werden sollen. „Hier liegt ein weiterer Schwerpunkt unserer Arbeit: Wir wollen herausfinden, ob die zusätzliche elektrische Stimulation eine noch bessere Synthese von knochenbildendem Material anregt“, erklärt Nebe.

Hintergrund zum Sonderforschungsbereich „ELAINE“

Im Sonderforschungsbereich 1270 „ELAINE“ der Universität Rostock arbeiten derzeit rund 80 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor allem an der Universität und der Universitätsmedizin Rostock. Sie erforschen unter anderem, wie mit elektrisch aktiven Implantaten Knochen und Knorpel bei Defekten zur Regeneration angeregt werden können. Auch die sogenannte Tiefe Hirnstimulation zur Therapie von Parkinson gehört zum Forschungsportfolio des Sonderforschungsbereichs, der seit 2017 tätig ist und sich derzeit in der zweiten Förderperiode bis 2025 befindet.

Wie die Sprecherin von „ELAINE“, die Elektrotechnikerin Prof. Dr. Ursula van Rienen, erläutert, gehört zu den bisherigen Erfolgen unter anderem die Entwicklung der miniaturisierten Stimulationseinheit STELLA. „Diese Einheit in der Größe einer Zwei-Cent-Münze kann von außen mit verschiedenen Stimulationsmustern gesteuert werden“.

Neben den Fortschritten in der Wissenschaft sei die Grundlagenforschung auch für die Wirtschaft essentiell, betont van Rienen. Bei Bewilligung einer dritten Förderperiode bis 2029 von „ELAINE“ hätte die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG diese Spitzenforschung mit rund 45 Millionen Euro gefördert. Diese Mittel kämen insbesondere dem wissenschaftlichen Nachwuchs zugute.

Der SFB 1270 „ELAINE“ zeichnet sich laut van Rienen durch eine hohe Interdisziplinarität aus. In ihm sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Elektrotechnik, Informatik, Mathematik, Maschinenbau, Zellbiologie, Biochemie und der Medizin tätig. Neben Rostock sind die Universitäten und Hochschulen in Greifswald, Leipzig, Nürnberg-Erlangen, Mainz und Wismar an „ELAINE“ beteiligt.

Kontakt:
Dr. Paula Friedrichs
Gesamtkoordination SFB 1270 ELAINE
Universität Rostock Institut für Allgemeine Elektrotechnik
Tel.: +49 381 498-7082
paula.friedrichs2uni-rostockde


Zurück zu allen Meldungen