Universität Rostock trauert um Professor H. Gustav Klaus

Prof. em. H. Gustav Klaus (Foto: privat).

Gustav Klaus wurde 1994 auf die Professur für die Literatur Britanniens am Institut für Anglistik/Amerikanistik der Universität Rostock berufen. Der Weg zur Berufung verlief über mehrere Stationen und war kein geradliniger. Auf die Promotion (Bremen, 1977) und die Habilitation (Osnabrück, 1982) folgten Forschungsaufenthalte in Dänemark, Australien und Schottland sowie Lehrstuhlvertretungen in Osnabrück, Passau und Bremen. Diese, wie er selbst sagte, „Jahre ungeregelter Anstellung und ungesicherten Einkommens“ waren auch eine Folge der Tatsache, dass er kompromisslos eine dezidiert politische Anglistik vertrat – mit der Folge, dass ein mehrfacher Listenplatz Nr. 1 an einer Universität in Niedersachsen nicht etwa zu seiner Berufung führte, sondern am Ende zur Kassierung der Professur durch das Kultusministerium.

Geprägt von einer akademischen Sozialisation als Student in Frankfurt/M. und Berlin, welche er in der Zeit des gesellschaftspolitischen Aufbruchs der späten 1960er- und frühen 1970er-Jahre erfuhr, stellte bereits seine erste Publikation zur „Marxistischen Literaturkritik in England“ (1973) die Weichen für die Richtung, die seine Forschung nehmen sollte. Zeit seines Lebens betonte er die Notwendigkeit einer politisch-gesellschaftlichen, ja marxistisch-utopischen Dimension von Literatur und Literaturwissenschaft, damit diese ihre Lebendigkeit bewahre und nicht nur der Unterhaltung einer kleinen Bildungselite diene. Diese Überzeugung schlug sich sowohl in der Wahl seiner Forschungsfelder als auch in der universitären Lehre nieder. In Arbeiten zum sozialistischen Roman (1982), zur Arbeiterliteratur (1985), später auch zur Verknüpfung von sozialkritischen und ökologischen Perspektiven (Ecology and the Literature of the British Left, 2012) rückte Gustav Klaus häufig vergessene gesellschaftliche Randfiguren in den Mittelpunkt, welchen er mit Tramps, Workmates and Revolutionaries bereits 1993 eine eigene Studie gewidmet hatte.

Die Themen, die seine Forschung bestimmten, kennzeichneten auch Gustav Klaus' Lehre. Literaturwissenschaftliche Seminare zur Arbeiterliteratur und zur gesellschaftlichen Dimension des Detektivromans gehörten ebenso zu seinem Repertoire wie kultur- und medienwissenschaftlich inspirierte Veranstaltungen zu den Filmen Ken Loachs und zur Literatur des spanischen Bürgerkriegs; auch den Sonetten Shakespeares, den Dokumenten elisabethanischer Hofkultur und den wenig bekannten Landhausgedichten des 17. Jahrhunderts vermochte er durch seine originelle Perspektive eine sozialkritische Sprengkraft zu entlocken, wodurch diese Texte auch für ein studentisches Publikum im 21. Jahrhundert lebendig wurden.

Ebenso wichtig wie seine Beiträge zu einer Literaturgeschichte Großbritanniens von unten in Forschung und Lehre ist die Rolle, die er bei der Rezeption der britischen Cultural Studies und der Durchsetzung dieses Feldes hin zu einem integralen Bestandteil der Anglistik in Deutschland spielte. Gustav Klaus war Mitbegründer der Zeitschrift Gulliver, die ein früher Kristallisationskern einer kulturwissenschaftlich orientierten Anglistik in Deutschland war, sowie Gründungsmitglied der „Deutschen Gesellschaft für das Studium britischer Kulturen“, welche inzwischen ein fester und äußerst lebendiger Diskursraum innerhalb der Anglistik ist und die Entwicklung des Fachs maßgeblich mitbestimmt.

Nicht zuletzt war Gustav Klaus ein Hochschullehrer, der den ungeteilten Respekt seiner Kollegen und Studierenden genoss, auch bzw. gerade weil er leidenschaftlich, streitbar und hartnäckig war, wenn eine Angelegenheit ihm am Herzen lag. Dass er dabei auch in scheinbar kleinen Dingen pragmatisch gemäß seiner Überzeugungen handelte, dokumentiert sein erfolgreicher Einsatz für kostenfreie Fernleihen auch für Studierende. Das Institut für Anglistik/Amerikanistik, die Philosophische Fakultät sowie die gesamte Universität Rostock trauern um einen unkonventionellen Wissenschaftler, engagierten Denker und aufrichtigen Menschen.

 

Prof. Dr. Gesa Mackenthun & Prof. Dr. Christian Schmitt-Kilb
Institut für Anglistik/Amerikanistik

Prof. Dr. Hillard von Thiessen
Dekan der Philosophischen Fakultät

Prof. Dr. Wolfgang Schareck
Rektor


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