Die Forschenden fanden heraus, dass Kommentare und Meinungsäußerungen Dritter das Vertrauen erheblich mindern können. Gleichzeitig konnte gezeigt werden, dass die emotionale Stabilität eines Individuums eine entscheidende Rolle für die Resilienz gegenüber solchen sozialen Einflüssen spielt. Professor Philipp C. Wichardt, Leiter der Studie und Professor für Mikroökonomie an der Universität Rostock, kommentiert: „Angesichts der Bedeutung von Vertrauen für sozialen Zusammenhalt und die Unsicherheiten unserer Zeit, könnte dies ein Hinweis an die Politik sein, mehr Stabilität zu fördern.“
In einem Online-Experiment untersuchten die Forschenden, wie die ständige Kommentierung und Bewertungen unbekannter Dritter das Verhalten der Teilnehmenden beeinflussen. Ziel war es zu verstehen, wie Informationen über Einschätzungen anderer das Vertrauen in unbekannte Menschen steuern. Tobias Schütze, Co-Autor der Studie und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Team von Professor Wichardt, erklärt: „Wir wollten wissen, wie die Meinungen anderer die Bereitschaft der Probanden beeinflussen, einem unbekannten Empfänger einen Betrag zu übergeben, der verdreifacht wird, bevor der Empfänger freiwillig etwas zurückgeben kann. Das Vertrauen beim Weiterreichen fördert also in jedem Fall den gemeinsamen Wohlstand, auch wenn unklar ist, ob man etwas zurückbekommt. In der Fachliteratur ist die Art Interaktion als Vertrauensspiel bekannt. Neu ist, dass wir den Teilnehmenden zunächst eine Einschätzung der Situation eines unbeteiligten Dritten zeigen und danach fragen, ob sie sich mit den jeweiligen Aussagen identifizieren können.“
Die Ergebnisse zeigen, dass Kommentare, besonders wenn sie in Richtung Unsicherheit, Misstrauen, Angst oder Neugier formuliert sind, das Vertrauen der Probanden deutlich verringern. Besonders betroffen seien emotional instabile Personen, die auf solche sozialen Einflüsse besonders sensibel reagieren. „Das Grundmuster ist als Consensus-Effekt bereits bekannt, doch überrascht es, wie schnell und deutlich sich diese Effekte auch bei anonymen und relativ neutralen Kommentaren zeigen“, so Professor Wichardt.
Mit Blick auf die gegenwärtige Diskussion um soziale Medien und deren Einfluss auf gesellschaftliches Verhalten führt Professor Wichardt weiter aus: „Da wir auch für einen relativ neutralen Begriff wie Neugier negative Effekte finden, deutet sich zumindest an, dass das ständige Kommentieren von Verhalten durch andere negative Einflüsse auf den Mut haben könnte, anderen erst einmal offen zu begegnen.“
Abschließend appelliert der Studienleiter an die politische Ebene: „Gerade in der aktuellen Lage wäre es wünschenswert, wenn die Politik wieder mehr Ruhe und Stabilität ausstrahlen würde. Das schafft mehr Ruhe bei allen – und dann auch wieder mehr Vertrauen.“
Diese Studie macht deutlich, dass Vertrauen kein statisches Gut ist, sondern hochgradig beeinflusst – sowohl durch äußere Meinungen als auch durch die emotionale Stabilität der Menschen.
Zum Artikel: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2214804325000370
Kontakt:
Professor Philipp C. Wichardt
Universität Rostock
Institut für Volkswirtschaftslehre
Professur Mikroökonomie
Tel.: +49 381 498-4486
philipp.wichardtuni-rostockde