1827 bis 1834

1827

Am 24. März 1827 kam es zu einem neuen Vergleich zwischen dem Landesherrn und der Stadt Rostock. Darin wurde neben anderen Vereinbarungen "Zur Verbesserung des Stadtärars" festgelegt, daß das der Stadt zustehende Kompatronat über die Universität vom Großherzog übernommen werde. Im August 1827 wurde das Regulativ unterzeichnet, mit dem die Stadt alle im Erbvertrag von 1788 enthaltenen Rechte an die Universität übergab und das bis dahin zuständig gewesene Kompatronat dem Landesherrn übertrug. Die Stadt wurde von allen Avisgaben für die Universität befreit und sollte auch "nie zu einem finanziellen Beitrag für die Universität verpflichtet sein".
Die Stadt gab alle Rechte und Befugnisse über die Universität an den Landesherrn ab. Damit war die Zeit des seit 1563 bestehenden Kompatronats beendet.
Die Stadt übernahm die Verpflichtung, den Festsaal des Rathauses für akademische Veranstaltungen zur Verfügung zu stellen. Dagegen sollten von der Universität Anforderungen an die Stadt wegen Bereitstellung eines Auditoriums (als Ersatz für das abgerissene Gebäude des Auditorium Magnum) nicht gestellt werden.

1827/1829

Anbau eines Flügels am Universitätshauptgebäude für die Universitätsbibliothek.

1828

Gründung des Seminars für Klassische Philologie.

1834

Die Studenten wurden auf Weisung aus der akademischen Gerichtsbarkeit entlassen und den städtischen Behörden unterstellt.
Bildung einer Finanzkommission, die die Verstaatlichung des akademischen Vermögens zu vollenden hatte. Die Universität war jetzt eine "vom Staat anerkannte besondere Korporation" und im Sinne des Wortes eine Landesuniversität. Bau eines Hofgebäudes zum Universitäts-Hauptgebäude für das Chemische Laboratorium (Prof. von Blücher).

Quelle: 575 Jahre Universität Rostock. Mögen viele Lehrmeinungen um die eine Wahrheit ringen. Rostock 1994, S. 335-336.

Weiterführende Literatur:

Hückstädt, Arnold: Fritz Reuter und die "Allgemeinheit", John Brinckman und die "Gesellschaft der Volksfreunde". Rostocker Studentenverbindungen zwischen 1831 und 1834. In: Brunners, Christian (Hg.): Fritz Reuter, John Brinckman, Dethloff Carl Hinstorff und Rostock. Rostock 2002, S. 8-24.

Jügelt, Karl-Heinz: Bibliotheca Philosophica - Bibliotheca Academica - Universitätsbibliothek. Bücher, Bibliothekare und Ereignisse in der 425jährigen Geschichte der Universitätsbibliothek Rostock. In: Mögen viele Lehrmeinungen um die eine Wahrheit ringen. Hrsg. vom Rektor der Universität Rostock. Rostock 1994, S. 40-69.


1834 bis 1848

1836

Der Regierungsbevollmächtigte von Both wurde zum Vizekanzler (Kurator) ernannt. Er schuf die Voraussetzungen für eine mögliche Unabhängigkeit der Universität und machte den Weg für eine effektive Förderung frei.

1838

Erweiterung des 1834 gebauten Hofgebäudes für das von Prof. Hermann Stannius gegründete Zootomisch-Physiologische Institut. Hermann Stannius kündigte Unterricht in vergleichender Anatomie, Physiologie und allgemeiner Pathologie an.

1839

Gründung des Philosophisch-ästhetischen Seminars (Prof. Wilbrandt).

1841

Gründung des Homiletisch-Katechetischen Seminars, Umwandlung des 1790 gegründeten Theologisch-Pädagogischen Seminars mit neuer Aufgabenstellung.

1844

Fertigstellung des "Neuen Museums" als Nebengebäude zum Universitätshauptgebäude (Pläne Baumeister Demmler). Es nahm die naturwissenschaftlichen Einrichtungen Chemisches Laboratorium, Mathematisch-Physikalisches Kabinett und die zoologische Sammlung auf.
In das freiwerdende Hofgebäude wurde das Anatomische Institut verlegt, dessen Gebäude am Alten Markt unbrauchbar geworden war.
In der Zeit der beginnenden Industrialisierung in Mecklenburg, als sich auch eine Steigerung der Studentenzahlen abzuzeichnen begann, lief die Universität Gefahr, aufgelöst zu werden. Die Landesregierung erwog ernstlich, statt der Universität eine Landwirtschaftliche Schule einzurichten. Doch gelang es, den Großherzog davon zu überzeugen, daß die Universität für das Land erhalten werden müsse.

Hermann Stannius
Das "Neue Museum"

1848

Neben zwei Petitionen aus der Rostocker Bürgerschaft an die Landesregierung wurde am 12. März 1848 auch eine Petition von Rektor und Konzil zu den politischen Vorgängen verabschiedet. Die Universität setzte sich für eine "verfassungsmäßig durchzuführende Fortentwicklung" der (Stände-) Verfassung ein. Die Petitionen hatten Erfolg. Es entstand eine breite Reformbewegung, in der auch Professoren und Studenten der Universität mitarbeiteten, ein neuer Landtag wurde gewählt und eine Verfassung ausgearbeitet.

07.03.1848

Die auf der Grundlage der Karlsbader Beschlüsse von 1819 erfolgte Oberaufsicht über die Universitäten durch einen außerordentlichen Regierungsbevollmächtigten wurde aufgehoben.

Quelle: 575 Jahre Universität Rostock. Mögen viele Lehrmeinungen um die eine Wahrheit ringen. Rostock 1994, S. 336-337.

Weiterführende Literatur:

Boeck, Gisela; Lammel, Hans-Uwe (Hg.): Wissen im Wandel. Disziplinengeschichte im 19. Jahrhundert. Referate der interdisziplinären Ringvorlesung des Arbeitskreises "Rostocker Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte" im Wintersemester 2007/08. Rostock 2011 (Rostocker Studien zur Universitätsgeschichte, 12). LINK

Stieda, Wilhelm: Hermann Stannius und die Universität Rostock 1837-1854. In: Mecklenburgische Jahrbücher, Bd. 93 (1929), S. 1-36.

Wischhusen, Heinz Günther: Friedrich Hermann Stannius (1808-1883) als Begründer des Instituts für vergleichende und allgemeine pathologische Anatomie sowie für Physiologie in Rostock (1838). In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Rostock, N-Reihe, Bd. 23 (1974), 4, S. 112-125.


1848 bis 1855

1849

Am 23. August unterschrieb der Großherzog das vom verfassungsgebenden Landtag ausgearbeitete Staatsgrundgesetz, die Ständische Verfassung wurde am 10.10.1849 aufgehoben.

1850

Landesherr und Ritterschaft stürzten die konstitutionelle Regierung, am 1. Juli 1850 wurde der Landtag aufgelöst. Im September verkündete das eingesetzte Freienwalder Schiedsgericht, daß die Aufhebung der Ständischen Verfassung und das neue Staatsgrundgesetz nicht rechtmäßig seien. Alle Hoffnungen auf eine Verfassungsänderung waren zerstört, der Landesgrundgesetzliche Erbvergleich von 1755 war wieder höchstes Gesetz.

1850

Vizekanzler von Both stellte aus gesundheitlichen Gründen Antrag auf Entlassung aus dem Justizdienst und schied am 6. September 1851 endgültig aus. Er stand jetzt ohne andere Belastung für die Aufgabe eines Kurators der Universität zur Verfügung.

1852

In einer Verfolgungskampagne gegen alle Demokraten (Demagogenverfolgung) wurden die Professoren Carl Türk, Julius Wiggers und Christian Wilbrandt am 7. Juli 1852 aus ihrem Lehramt entlassen. Im folgenden Hochverratsprozeß von 1853 wurden sie zu Freiheitsstrafen verurteilt. Die Universität, 1848 noch die Reformbewegung unterstützend, beugte sich widerspruchslos.

1852-1855

Bau des Städtischen Krankenhauses am Schröderplatz, dessen medizinische Betreuung von der Universität übernommen wurde. Erster Direktor war Prof. Dr. Carl Strempel. Seit 1828 hatte er eine Privatklinik eingerichtet, die 1846 nach Abbruch des Armenkrankenhauses an der Grube zum Städtischen Krankenhaus geworden war. Die Klinik am Schröderplatz wurde 1900 vom Land übernommen und der Universität übergeben.

Quelle: 575 Jahre Universität Rostock. Mögen viele Lehrmeinungen um die eine Wahrheit ringen. Rostock 1994, S. 337-338.

Weiterführende Literatur:

Baudis, Klaus: Ein Rostocker Historiker in den Kämpfen der Revolution von 1848/49 - Zum Wirken von Prof. Karl Türk in Rostock und Mecklenburg. In: Stutz, Reno (Hg.): Demokraten und ihre Gegenspieler. Norddeutsche in der Revolution von 1848/49. Rostock 2000, S. 137-145.

Manke, Matthias: Rostock zwischen Revolution und Biedermeier. Alltag und Sozialstruktur. Rostock 2000.

Meves, Uwe: Zu den Auswirkungen der Revolution von 1848 auf den Institutionalisierungsprozeß des Faches Deutsche Philologie. Am Beispiel der Universitäten Leipzig, Rostock, Bonn und Tübingen. In: Jaehrling, Jürgen; Meves, Uwe; Timm, Erika (Hg.): Röllwagenbüchlein. Festschrift für Walter Röll zum 65. Geburtstag. Tübingen 2002, S. 1-19.

Stutz, Reno: Revolutionsführer. Auf den Spuren der Revolution von 1848/49 in Rostock. Rostock 1998.


1855 bis 1881

1858

Gründung des Deutsch-Philologischen Seminars.

1859

Inbetriebnahme der Frauenklinik und Hebammenlehranstalt in der Buchbinderstraße.

1865/1866

Gründung des Historischen Seminars.

1866

Preußen schloß mit 17 norddeutschen Staaten einen Vertrag, der zur Grundlage für den Norddeutschen Bund wurde, und sicherte sich die Vorrangstellung. Die Gründung des Bundes war die wesentliche Grundlage für die 1871 erfolgende Reichseinigung.

1866

Abriß des dreihundert Jahre alten baufälligen Universitätsgebäudes, des Weißen Kollegs.

1867

Grundsteinlegung für das neue Hauptgebäude. Dem Rektor wurde vom Großherzog die goldene Amtskette übergeben.

1869

Gründung des Pathologischen Instituts auf dem Gelände der Klinik am Schröderplat.

1870

Fertigstellung des Universitäts-Hauptgebäudes, die Einweihung erfolgte am 27. März 1870. Vizekanzler von Both (geb. 1789, Ehrendoktor phil. und jur., Ehrenbürger der Stadt) beendete seine Tätigkeit aus gesundheitlichen und aus Altersgründen. Nachfolger wurde der Landgerichts- und Konsistorialpräsident Maximilian von Liebeherr, der bis zu seinem Tode im Jahre 1896 im Amt blieb.

1874

Gründung des Physikalischen Instituts (Prof. Matthiessen).

1875

Gründung des Instituts für Pharmakologie und Physiologische Chemi.

1878

Fertigstellung des Medizinischen Institutsgebäudes in der Gertrudenstraße (Anatomisches Institut, Physiologie, Pathologie, Hygiene).

1879

Die seit 1870 nur noch als mittelalterliches Relikt praktizierte akademische Gerichtsbarkeit wurde mit der Reichsjustizreform von 1879 endgültig aufgehoben. Es verblieb nur die Disziplinargerichtsbarkeit.

1881

Eröffnung des Hygiene-Instituts. Gründung des Mineralogisch-Geologischen Institut.

Quelle: 575 Jahre Universität Rostock. Mögen viele Lehrmeinungen um die eine Wahrheit ringen. Rostock 1994, S. 338-339.

Weiterführende Literatur:

Bartels, Olaf: Das Hauptgebäude der Universität in Rostock. In: Bartels, Olaf: Der Architekt Hermann Willebrand 1816-1899. Hamburg u.a. 2001, S. 67-71.

Bienengräber, Volker: 100 Jahre Lehrstuhl für allgemeine und spezielle Pathologie in Rostock. Der Beitrag des Rostocker Instituts an der Entwicklung der Pathologie und der neuen Arbeitsmöglichkeiten und Aufgaben des Instituts nach seiner Reorganisierung in den Jahren 1958-1965; zugleich eine historische Rückschau auf das Institut zum 550. Gründungsjubiläum der Universität Rostock (1969). In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Rostock, N-Reihe, 14 (1965), 1/2, S. 1-34.

Hennighausen, Gerhard: Pharmakologie und Toxikologie an der Universität Rostock seit 1865. Zum 125jährigen Bestehen des Lehrstuhls für Pharmakologie an der Universität Rostock. Rostock 1990.

Klausch, B.; Schwarz, R.: Die Geschichte der Frauenklinik der Universität Rostock von den Anfängen bis zur Gegenwart. Rostock 1980.

Mahnke, Reinhard: Ludwig Matthiessen, der erste ordentliche Professor der Physik an der Universität Rostock 1874-1905. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Rostock, 34 (1985), 1, S. 74-86.

Mahnke, Reinhard: Zur Entwicklung der Physik an der Rostocker Universität. Rostock 1991.

Meves, Uwe: Karl Bartsch und die Gründung des ersten germanistischen Seminars (Universität Rostock 1858). In: Gärtner, Kurt; Lemmer, Manfred (Hg.): Von lon der Wisheit. Gedenkschrift für Manfred Lemmer. Sandersdorf 2009, S. 154-175.

Schultz, Helga; Heitz, Gerhard; Olechnowitz, Karl-Friedrich: Die Entwicklung geschichtswissenschaftlicher Studien an der Universität Rostock seit dem Ende des 18. Jahrhunderts. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Rostock, G-Reihe 19 (1970), 5, S. 355-375.

Uerckwitz, Jürgen: Die Geschichte des Hygiene-Institutes der Universität Rostock, Diss. Rostock 1969.


1881 bis 1918

1883-1885

Einrichtung des Botanischen Gartens, Doberaner Straße.

1884

Neubau des Instituts für Botanik, Doberaner Straße.

1885-1887

Neubau des Gebäudes der Frauenklinik in der Doberaner Straße, vorher Buchbinderstraße, freigewordene Räume wurden 1887 vom Hygiene-Institut und 1888 vom Chemischen Institut übernommen.

1892

Inbetriebnahme des Neubaus für die Augenklinik, Doberaner Straße.

1896

Erstmals werden an der Philosophischen Fakultät Hörerinnen zugelassen.

1899

Inbetriebnahme des Neubaus für die HNO-Klinik, Doberaner Straße. Die Klinik trägt heute den Namen des ersten ord. Professors für HNO-Krankheiten in Deutschland, Otto Körner (1894-1929 in Rostock).

1899

Die Kirche des Klosters "Zum Heiligen Kreuz" wurde der Universität übergeben, sie wurde Universitätskirche.

1907

Inbetriebnahme der Dermatologischen Klinik, Schröderplatz.
Entstehung des Zahnärtzlichen Instituts von Johannes Reinmöller.

1909

Immatrikulation der ersten Studentin Elisabeth Bernhöft. Die Universität Rostock war damit die letzte in Deutschland, die Frauen zum Studium zuließ.

1917

Übernahme der seit 1912 (bis 1945) bestehenden Luftwarte (Physikalisches Institut).

1918

Eröffnung der Kinder-Klinik Augustenstraße.

1918

Nach der militärischen Niederlage und dem wirtschaftlichen und politischen Zusammenbruch am Ende des Ersten Weltkrieges (1914-1918) stürzte die bürgerlich-demokratische November-Revolution von 1918 die Fürstenthrone, die ständische Verfassung in Mecklenburg hatte ein Ende.
Mit der Abdankung des mecklenburgischen Großherzogs endete auch die von dem jeweiligen Regierenden (de facto seit der Reformation, de jure seit dem Frieden von Münster 1648) wahrgenommene Kanzlerschaft über die Universität. Die Universität war jetzt bestrebt, die Selbstverwaltung zu stärken. Eine Vielzahl der in dieser und in der folgenden Zeit entstehenden Hochschul-Reformvorschläge zielte darauf ab.

Quelle: 575 Jahre Universität Rostock. Mögen viele Lehrmeinungen um die eine Wahrheit ringen. Rostock 1994, S. 339-340.

Weiterführende Literatur:

Beese, Marianne; Knittel, Pirina; Stunnack, Grit: Geschichte des Frauenstudiums in Rostock - von den Anfängen bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Rostock 1999.

Gottwald, Helmut: Zur Geschichte der Universitäts-Augenklinik Rostock. Rostock 1969.

Gross, Gerd (Hrsg.): 100 Jahre Universitäts-Hautklinik und Poliklinik Rostock. Rostock 2002.

Kramp, Burkhard; Jerecinski, Antje: Otto Körner: Arzt, Hochschullehrer und Forscher; erster deutscher Ordinarius für Ohren- und Kehlkopfkrankheiten und Gründer der ersten HNO-Fachklinik Nord- und Mitteleuropas. [Roggentin] 2010.

Krüger, Kersten (Hg.): Frauenstudium in Rostock. Berichte von und über Akademikerinnen. Rostock 2010 (Rostocker Studien zur Universitätsgeschichte, 9). LINK

Külz, Jürgen: Die Geschichte der Kinderheilkunde und der Kinderklinik an der Universität Rostock. Rostock 1993. (BGUR 18).

Mahnke, Reinhard: 100 Jahre Physikalisches Institut 1910-2010. Rostock 2010.

Richter, Rolf: Die Entwicklung der Botanik in Rostock. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Rostock, 17 (1968), 4/5, S. 263-275.

Strahl, Antje: Rostock im Ersten Weltkrieg. Bildung, Kultur und Alltag in einer Seestadt zwischen 1914 und 1918. Berlin u.a. 2007.