Hinweise zur barrierefreien Gestaltung von Lehrveranstaltungen und -materialien
Hochschulen haben den gesetzlichen Auftrag, die Bedarfe der Studierenden mit Beeinträchtigungen zu berücksichtigen und dafür zu sorgen, dass sie „die Angebote der Hochschule möglichst ohne fremde Hilfe in Anspruch nehmen können“ (§ 2 Abs. 4 Hochschulrahmengesetz, § 3 Abs. 4 LHG M-V). Ihnen ist also die uneingeschränkte Teilhabe am Studienalltag und am Campusleben zu ermöglichen. Dies umfasst neben der Teilnahme an Lehrveranstaltungen auch die Nutzung sonstiger Angebote und Infrastrukturen, wie öffentliche Events, Sport- und Sprachkurse, Auslandsaufenthalte, Online-Dienste usw.
Was aber bedeutet „barrierefrei“ in Bezug auf die Gestaltung von Lehrveranstaltungen, Materialien und Prüfungsanforderungen? Wie können Lernangebote gestaltet werden, dass alle Studierenden von ihnen profitieren?
An dieser Stelle wollen wir den Lehrenden der Universität Rostock Hinweise zur barrierefreien Gestaltung von Lehrveranstaltungen und -materialien geben. Diese stellen lediglich einen kurzen Überblick dar und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Weiterführende Informationen können Sie dem Leitfaden „Lehre barrierefrei gestalten“ entnehmen.
Zum Semesterstart: Offenheit signalisieren.
Signalisieren Sie von Anfang an, dass Sie ansprechbar sind und dass an Ihrer Hochschule Beratungsangebote existieren. Dazu hat es sich bewährt, zu Semesterbeginn einen Handzettel zu verteilen oder eine Folie einzublenden, die Behinderung und chronische Krankheit thematisiert und auf Unterstützungsmaßnahmen hinweist. In wenigen Minuten zeigen Sie so Ihre Offenheit gegenüber Studierenden mit Beeinträchtigungen und informieren darüber, an wen sich diese wenden können. Vielen betroffenen Studierenden fällt dieser Schritt nach einer solchen Aufforderung deutlich leichter.
Setzen Sie ein Zeichen und signalisieren Sie Ihren Studierenden, dass Sie für sie ansprechbar sind. Sie können unsere vorbereiteten Folien (unter Downloads) in Ihre Power Point Präsentation einbauen, als pdf verwenden oder als Handzettel ausdrucken und in Ihrer Lehrveranstaltung verteilen.
Mit Wertschätzung begegnen: Auf Augenhöhe kommunizieren.
Sprache vermittelt und spiegelt Werte – auf Seiten der Sprechenden wie auf Seiten der An-gesprochenen. Und sie beeinflusst unser Denken über Menschen mit und ohne Beeinträchtigung. Ein inklusiver Sprachgebrauch bedeutet, Menschen mit Beeinträchtigung wertfrei anzusprechen und ist Ausdruck wertschätzender Kommunikation.
Formulierungen | Alternativen |
Person xy leidet an... | Person xy hat/lebt mit ... |
Person xy ist an den Rollstuhl gefesselt. | Person xy sitzt im/benutzt/fährt einen Rollstuhl. |
Handicap/gehandicapt | Beeinträchtigung/beeinträchtigt |
geistig behindert | kognitiv beeinträchtigt |
taubstumm | gehörlos, taub |
trotz seiner/ihrer Behinderung... | mit seiner/ihrer Behinderung/Beeinträchtigung... |
gesund/normal versus krank | nicht behindert/beeinträchtigt versus behindert/beeinträchtigt, ohne versus mit Beeinträchtigung |
Räume
Nicht alle Vorlesungs- und Seminarräume sind für Studierende mit Beeinträchtigungen gleich gut geeignet. Treppenstufen, zugestellte Flure, zu enge Türrahmen, zu niedrige, nicht unterfahrbare Tische oder solche mit fest montierten Stühlen, fehlender Platz für Hilfsmittel, nicht von allen Sitzplätzen einsehbare Tafeln und Projektionsflächen, Dunkelheit, Sonnenblendung, fehlende Mikrofone, Schall, Bau- und Straßenlärm stellen Barrieren dar. Sie verhindern, dass Studierende den Raum erreichen, die Lehrenden verstehen, das Tafelbild erkennen, Diskussionen folgen und Mitschriften anfertigen können. Wenn Sie in Ihrer Veranstaltungsbeschreibung einen entsprechenden Hinweis aufnehmen, können Sie frühzeitig reagieren und die Raumbelegung ändern: „Bitte melden Sie mir Assistenzbedarf und besondere Bedarfe per Email oder Telefon“.
Barrierefreie Räume: Ausführliche Raumbeschreibungen finden Sie im Online-Portal für Lehre, Studium und Forschung.
Vielfältige Lehrmethoden und gut strukturierte Inhalte
Studierende mit und ohne Beeinträchtigungen profitieren vom Einsatz vielfältiger Lehrmethoden. Das Mischen verschiedener Arbeitsformen, z. B. Diskussionen im Plenum und in Kleingruppen, spricht nicht nur verschiedene Lerntypen an, sondern ermöglicht es Studierenden, die beeinträchtigungsbedingt von spezifischen Lernformen nicht profitieren können, dies bei anderen Formen auszugleichen. Gleiches gilt für die Aufbereitung von Informationen: Werden Lehrinhalte nach dem Zwei-Sinnes-Prinzip sowohl in geschriebener als auch in gesprochener Form vermittelt, ist es für Studierende mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen leichter, den gesamten Lernstoff wahrzunehmen. Ebenso kommt es allen Studierenden zugute, wenn Lehrinhalte gut strukturiert sind und stets ein klarer Aufbau bzw. „roter Faden“ erkennbar ist. Stellen Sie Ihre Gliederung deutlich vor(an) und verorten Sie den vermittelten Stoff regelmäßig – sowohl während Ihrer Vorträge als auch in Ihren Skripten und Folien. Visualisieren Sie die inhaltliche Struktur und den momentanem Stand Ihrer Darstellungen, auch durch Nummerierungen und Folientitel. Bauen Sie Teilkapitel, Aufzählungen, Querverweise und möglichst kurze Absätze ein. Heben Sie Kernaussagen in Ihren Lehrveranstaltungen und -materialien zusammengefasst hervor. Auf diese Weise fällt es Studierenden, die aufgrund einer Behinderung, chronischen Krankheit oder infolge von Medikamenten Schwierigkeiten bei der Konzentration oder in der Wahrnehmung haben, leichter, den Inhalten zu folgen.
Redeverhalten: Sprechen Sie deutlich, nicht zu schnell und den Studierenden zugewandt; erläutern Sie das Tafelbild nicht, während Sie mit dem Rücken zum Auditorium stehen.
Lautstärke: Nutzen Sie ein Mikrofon für Ihren Vortrag und wiederholen Sie ggf. Beiträge aus dem Plenum – so können alle Sie besser hören; nutzt jemand ein Hörgerät oder ein Cochlea-Implantat, werden Ihre Beiträge über die Induktionsschleife direkt auf diese übertragen.
Verständlichkeit: Sprechen Sie hochdeutsch, vermeiden Sie unnötige Fremd- und Füllwörter und erklären Sie Fachbegriffe; dies kommt v. a. gehörlosen Personen zugute, die Deutsch wie eine Fremdsprache erlernen.
Geschwindigkeit: Machen Sie Pausen – Studierende mit Mobilitäts-, Seh- und Hör-beeinträchtigungen sowie mit Konzentrationsschwierigkeiten können nicht gleichzeitig einem Vortrag folgen, das Tafelbild wahrnehmen und mitschreiben.
Zwei-Sinnes-Prinzip: Verbalisieren Sie visuelle Informationen wie Fotografien, Zeichnungen, Grafiken, Skizzen und Tabellen; verschriftlichen Sie Diskussionsergebnisse – auch digital; wenn Sie Videos zeigen, bieten Sie Untertitel und Audiodeskriptionen an oder erläutern die vorgespielten Inhalte.
Lichtverhältnisse: Achten Sie darauf, dass Sie nicht im Gegenlicht vor Lichtquellen, wie Fenster und Lampen, stehen, sondern dass Ihr Gesicht gut zu sehen ist; schalten Sie auch die Beleuchtung wieder an, wenn Sie eine Overhead- oder Beamer-Präsentation unterbrechen bzw. beenden. Insbesondere Studierende mit Hörbeeinträchtigung entnehmen sehr viele Informationen Ihrer Gestik und Mimik.
Erkennbarkeit: Tafeln und Whiteboards sollten sauber und gut beleuchtet sein; verringern Sie Lichtspiegelungen durch den entsprechenden Einsatz von Deckenbeleuchtungen und Rollos und verzichten Sie bei Power-Point- und Overhead-Folien auf Animationen, Hintergrundbilder und Muster; verzichten Sie nach Möglichkeit auf römische Zahlen, da diese von Vorlesesoftware als Buchstaben ausgegeben werden.
Inhalt: Visualisieren Sie das Wichtigste; Folien mit deutlich mehr als sechs Punkten wirken überladen und sind bei Sehbeeinträchtigung und Konzentrationsschwierigkeiten nur schwer zu erfassen.
Schrift: Serifenlose Schrifttypen wie Arial, Calibri, Helvetica, Tahoma oder Times New Roman sind leichter zu erkennen; schreiben Sie linksbündig statt mit Blocksatz; bei Folien eignet sich eine Schriftgröße von 20 bis 24 Punkt sowie einen deutlicher Zeilenabstand; verwenden Sie maximal zwei Schriftarten und -farben.
Farbgestaltung: Verwenden Sie nur eine Hintergrundfarbe und insgesamt wenige Farben; verzichten Sie ganz auf eine Kombination von Rot-Orange-Grün; acht Prozent aller Personen sind von Farbfehlsichtigkeit betroffen und können Farbmarkierungen im Text nicht erkennen; nutzen Sie für Hervorhebungen Formatierungen, wobei Fettschreibung besser geeignet ist als Kursivierung.
Kontrast: Je stärker der Kontrast zwischen Schrift und Hintergrund ist, desto besser ist der Text erkennbar; bei Power-Point-Präsentationen eignet sich in hellen Räumen dunkler Text vor hellem Hintergrund und in abgedunkelten Räumen heller Text vor dunklem Hintergrund.
Gestaltung von Word-, Power-Point- und PDF-Dokumenten
Lehrmaterialien barrierefrei anzubieten meint, diese so zu gestalten, dass Nutzer*innen sie flexibel an ihre Bedarfe anpassen können. Dies ist gerade für Studierende mit Sehbeeinträchtigungen unabdingbar, da sie spezielle Software zur Sprachausgabe benutzen. Diese sogenannten Screenreader lesen Texte von links oben nach rechts unten vor. Damit Inhalte korrekt und in sinnvoller Reihenfolge wiedergeben werden, sind folgende Punkte zu beachten:
Struktur durch Formatvorlagen: Strukturieren Sie Ihr Dokument, indem Sie Titel, Überschriften, Listen, Hervorhebungen, Zitate, Fußnoten usw. mit Formatvorlagen entsprechend als solche kennzeichnen; derart markierte Überschriften werden bei der Umwandlung in PDF-Dokumente in Lesezeichen (Tags) transformiert; Screenreader erkennen diese Textelemente in den jeweiligen Dateiformaten und lesen sie korrekt vor.
Bilder und Grafiken: Screenreader arbeiten textorientiert und können keine eingescannten Inhalte, Bilder, Fotografien oder Grafiken lesen; beschreiben Sie deren Inhalt und Zweck mit Alternativtexten; verankern Sie diese Objekte; verzichten Sie auf grafische Wasserzeichen.
Tabellen: Gestalten Sie Tabellenstrukturen möglichst einfach, übersichtlich und mit linearem Textfluss und ohne Verschachtelung, damit die Sprachausgabe die korrekte Reihenfolge wiedergibt; vermeiden Sie leere Zellen; markieren Sie bei mehrseitigen Tabellen die sich auf jeder Druckseite wiederholenden Kopfzeilen.
Sprachausgabe: Damit Screenreader Sprache phonetisch richtig ausgeben, muss für jeden Absatz, v. a. für fremdsprachige Textabschnitte, die jeweilige Standardsprache definiert und müssen Sprachwechsel markiert werden; die Wiedergabe bspw. deutscher Texte nach englischer Ausspracheregelung wäre nicht verständlich.
Vergrößerungsoption: Aktivieren Sie die Umfließen-Option, damit bei starker Vergrößerung des Textes die Verschiebung von Zeilenumbrüchen ermöglicht und ein umständliches Scrollen nach rechts vermieden wird.
Dokumenten-Prüfung: Nutzen Sie die software-eigene Funktion der Dokumenten-Prüfung bei Microsoft und Adobe unter Datei > Auf Probleme prüfen > Barrierefreiheit überprüfen. Je barrierefreier Ihre Quell-Datei, z. B. in Word und Power-Point, gestaltet ist, desto geringer ist der Aufwand, PDF-Dateien nachzubearbeiten. Webseiten können Sie online mit dem W3C Markup Validation Service überprüfen.
Nutzen Sie unseren Online-Kurs zur Erstellung barrierfreier Dokumente.
Stellen Sie Ihre Materialien zur Verfügung.
Vorab veröffentlichte oder per Email versandte Skripte und Handouts ermöglichen Studierenden eine bessere Vorbereitung. Dies ist für alle Studierenden von Vorteil, für manche jedoch unentbehrlich. V. a. Studierende mit Mobilitäts- und Sinnesbeeinträchtigungen benötigen die Lehrmaterialien frühzeitig, am besten in digitaler Form, um sie an persönliche Bedarfe anzupassen. Nutzen Sie E-Learning-Angebote und Online-Plattformen, wie ILIAS und Moodle. Protokolle und Mitschriften unterstützen zusätzlich bei der Nachbereitung. Achten Sie darauf: Bei Ausdrucken erhöht mattes Papier den Kontrast, während glänzendes Papier Licht reflektiert.
Checklisten für barrierefreie Veranstaltungen bietet die Informations- und Beratungsstelle des Studierendenwerks.