Körper-Praxis-Performance

Wintersemester 2016/17

In Bodies that Matter (1993) reagiert Judith Butler auf die Kritik, die ihr in den Kontroversen um ihr 1990 veröffentlichtes Buch Gender Trouble vielfach entgegengebracht wurde. Ein Strang dieser Kritik – prominent vertreten durch Barbara Duden (Barbara Duden: „Die Frau ohne Unterleib. Zu Judith Butlers Entkörperung.“ In: Feministische Studien. 11, 1993, S. 24– 33) – warf Butlers performativem Identitätsentwurf vor, die Materialität des biologischen Geschlechtskörpers aufzulösen, die Frau zu entkörpern und so „reinen Text“ zur Grundlage der Körper zu machen. Die Veranstaltung möchte in diesem Entgegentreten von Logozentrismus und Biozentrismus neue Perspektiven auf den Geschlechts-Körper ausloten.

Der Körper markiert die Schnittstellen von Identitätspolitik als individualisierendes Konstrukt und legt gleichzeitig die Grundlage für ein Konzept der Gemeinschaft. In diesem Spannungsfeld wird der Körper als reale Materie und theoretisches Konstrukt in dieser Vorlesungsreihe beleuchtet werden.

Im Fokus steht dabei der Körper als Medium und im Medium in unterschiedlichen künstlerischen Ausdrucksformen und gesellschaftlichen Strukturen. Körper-Performances können somit einerseits im Sinne Butlers als die Offenlegung von diskursiven Einschreibungen verstanden werden; andererseits haben sie das Potential durch performative Akte zu eigener agency gelangen und nicht nur Objekt eines ‚naturgegebenen’ Status zu sein. Über sprachphilosophisch inspirierte Konzept hinaus (u.a. Sybille Krämer) wird behauptet, Korporalität entstehe in einer Aneinanderreihung momenthafter, nachwirkender Eindrücke, die sich in einer Wechselbeziehung zwischen Performer*innen und Zuschauer*innen, dem Medium Köper und dem Körper im Medium entfaltet. Der Körper der Darsteller*in, der erzählenden oder der abgebildeten Instanz wird somit selbst aktiv. Ziel der Vorlesung ist es darüber hinaus, so der vielfach beschworenen Entgrenzung zwischen außerkünstlerischer Wirklichkeit und künstlerischer Repräsentation zu begegnen. Dem Körper wird eine agency im Medium zuteil, die ihm als Medium diskursiver Einschreibungen (Logozentrismus) entgegensteht. Kunst nicht nur als Repräsentation von Wirklichkeit (mimesis) zu verstehen, sondern als Meditation über bzw. Performanz von z.B. soziokulturellen Diskurs ist ein Fokus der Reflexion. Auf der einen Seite verwischen so die Ebenen zwischen künstlerischer und soziokultureller Praxis; auf der anderen Seite sollen so Zuschauer*innen und Perfomer*innen in ein partizipatorischer Verhältnis gebracht werden. Körperpraxis ist somit immer mit agency (und auch Verantwortung) verbunden.