Neue Heuschrecken-Art breitet sich in Mecklenburg-Vorpommern aus

Weibchen Gemeine Eichenschrecke (links) und Südliche Eichenschrecke (rechts) (Foto: Wolfgang Wranik).
Weibchen Gemeine Eichenschrecke (links) und Südliche Eichenschrecke (rechts) (Foto: Wolfgang Wranik).

Das ursprüngliche Verbreitungsgebiet der Südlichen Eichenschrecke liegt in Südwesteuropa und im Mittelmeerraum. „Sie ist aber eine der Heuschreckenarten, die ihr Areal in den letzten Jahren in Europa stark erweitert hat“, weiß Dr. Wranik. In Deutschland wurde sie erstmals 1958 bei Freiburg nachgewiesen und ist danach schrittweise nach Norden vorgedrungen. Größere Städte sind „Wärmeinseln“ und spielten deshalb dabei als Trittsteine anscheinend eine wichtige Rolle.

Wie die Tiere aber genau in unsere Region gekommen sind und sich jetzt auch weiter ausbreiten, lasse sich nur vermuten. Denn die Südliche Eichenschrecke besitzt stark verkürzte Flügel und ist dadurch flugunfähig. „Möglicherweise klammern sie sich an Fahrzeugen fest und fahren durch die Welt“, sagt Dr. Wranik. Dokumentiert ist z.B. die Beobachtung einer am Außenspiegel eines Pkw festgekrallten Eichenschrecke auf einer Fahrt bei Wind und Wetter über die Autobahn vom Raum Hannover bis Rostock. Oder sie kämen durch Pflanzmaterial in unsere Heimat.

„Die beiden Eichenschreckenarten zeigen in ihrem äußeren Erscheinungsbild und der Lebensweise zahlreiche Gemeinsamkeiten und auch einige Besonderheiten gegenüber den anderen Heuschrecken“, sagt Dr. Wranik. Die Körpergröße der schlanken, hellgrün bis leicht gelblich gefärbten Tiere liege etwas über ein Zentimeter, wobei die Fühler aber das drei bis vierfache der Körperlänge erreichen können. Der wesentliche äußerlich erkennbare Unterschied zwischen beiden Arten besteht in der Flügellänge. Diese sind bei der Südlichen Eichenschrecke in beiden Geschlechtern nur stummelförmig, d.h. die flugunfähigen Tiere können sich nur laufend und hüpfend fortbewegen. Dagegen überragen bei der flugfähigen Gemeinen Eichenschrecke die Flügel die Spitze des Hinterleibs. Die Weibchen beider Arten tragen am Körperende eine säbelartige Legeröhre, während die Männchen dort zwei leicht gebogene, stiftförmige Fortsätze zum Festhalten des Weibchens bei der Paarung besitzen. Bevorzugter Lebensraum beider Eichenschrecken ist der Kronenbereich von Laubgehölzen. Häufige Nachweise gibt es von Eiche, Linde, Ahorn und Kastanien, aber auch von Bäumen und großen Sträuchern in Gärten. Wichtig scheint eine grob strukturierte Rinde zu sein, da sie diese für die Eiablage benötigen. Beide Arten sind räuberisch und ernähren sich von kleinen Gliederfüßern (Blattläusen, Raupen). Durch ihre ähnliche Lebensweise stellt sich jetzt die Frage, wie weit es bei gemeinsamen Vorkommen zu Konkurrenzwirkungen kommen wird.

„Eichenschrecken erzeugen keinen zirpenden Gesang wie die meisten anderen Heuschreckenarten, sondern ihre Lautäußerung besteht in einem Trommeln mit den Hinterbeinen auf Blätter oder Zweige, d.h. diese Geräusche der dämmerungs- und nachtaktiven Tiere liegen in einem für Menschen nicht hörbaren Bereich“, sagt Dr. Wranik. Deshalb seien Nachweise von Eichenschrecken auch nicht einfach. Die effektivste Methode die Tiere zu entdecken sei das Ableuchten von Stammbereichen an luftfeuchten Abenden. Denn die Weibchen beider Arten steigen von August bis November in der Dunkelheit zur Eiablage von der Baumkrone nach unten, um in der Rinde des Stammes ihre Eier abzulegen. Da Eichenschrecken offenbar vom Licht stark angezogen werden, erfolgten zahlreiche Nachweise aber auch an beleuchteten Flächen von Häusern oder direkt in Räumen. Falls man im Haus einer solchen Heuschrecke begegnet, dann sollte man diese „nützlichen“ Tiere einfach nur „vor die Tür“ setzen. Zur weiteren Vervollständigung der Kenntnisse der Verbreitung beider Arten in Mecklenburg-Vorpommern sind alle mit Angaben zu Ort und Zeitpunkt sowie möglichst durch ein Foto untersetzte Hinweise zu Funden und Beobachtungen willkommen, sagt der Rostocker Biologe, der sich in seiner Freizeit seit Jahren mit Insekten und spezieller auch mit Heuschrecken befasst. In einem kleinen Arbeitskreis auf Landesebene wurde 2008 ein Verbreitungsatlas der Heuschrecken in Mecklenburg-Vorpommern erstellt, wird derzeit an einer Neuauflage der Roten Liste gearbeitet und die am Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie Güstrow (LUNG) geführte Datenbank zur Fauna des Landes unterstützt.
Text: Wolfgang Thiel

Kontakt:
Dr. Wolfgang Wranik
Universität Rostock
Institut für Biowissenschaften
wolfgang.wranikuni-rostockde

 

 


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