Wenn es nicht ganz rund läuft – Studie der Universität Rostock untersucht Wirkung von Strafen auf Fußballfans

Philipp Winskowski untersucht, inwieweit sich Fußballfans von Strafen für ihr Fehlverhalten im Fußballstadion beeindruckt zeigen (Foto: Universität Rostock/ Thomas Rahr)
Philipp Winskowski untersucht, inwieweit sich Fußballfans von Strafen für ihr Fehlverhalten im Fußballstadion beeindruckt zeigen (Foto: Universität Rostock/ Thomas Rahr).

„Damit werden vielmehr Symptome bekämpft, als dass die Probleme bei der Wurzel angepackt werden“, sagt Philipp Winskowski, der für seine Doktorarbeit am Institut für Betriebswirtschaftslehre der Universität Rostock mehr als eintausend Strafen im Fußballstadion analysierte, die seit der Saison 2013/14 vom DFB-Sportgericht innerhalb der ersten bis dritten Liga verhängt wurden. Der 33-jährige gebürtige Dresdner, der selbst gerne Fußball spielt und bekennender Fan seines Heimatvereins Dynamo Dresden ist, untersuchte die verhängten Strafen hinsichtlich der betroffenen Spiele, der Strafhöhe sowie die mit der Strafe verbundenen Auflagen und Bewährungen. Zudem führte Winskowski, der an der TU in Dresden Wirtschaftswissenschaften und Volkswirtschaftslehre studiert hat, Interviews mit Ultra-Gruppierungen, mit Vereinsvertretern wie beispielsweise Sicherheits- und Fanbeauftragten sowie Geschäftsführern, weiterhin mit Richtern und Vertretern der Deutschen Fußball Liga DFL und des Deutschen Fußball-Bunds DFB, mit der Polizei, Sponsoren und einem Medienvertreter. „Alle, außer mit Abstrichen der DFB, waren kooperativ“, sagt der Forscher.

Kaum der gewünschte Effekt
Was kam dabei heraus? „Die Strafen sollen zukünftiges Fehlverhalten unterbinden. Während die Verbände und Richter sagen, die Strafen zeigen dahingehend Wirkung, sehen alle anderen, kaum den gewünschten Effekt.“
Was bewegt Philipp Winskowski als Fan von Dynamo Dresden, wenn Fans beispielsweise mit Pyrotechnik Grenzen überschreiten? Er formuliert es so: „Ich hatte immer den Eindruck, dass die Strafen von den Fans als ungerechtfertigt wahrgenommen werden. Das eigentliche Problem wird nicht gelöst. Beispielsweise die Pyrotechnik: Darauf möchten manche der aktiven Fans nicht verzichten; von den Verbänden auf der anderen Seite wird Pyrotechnik nicht toleriert. Im Gegenteil – die Strafen wirken teilweise eher solidarisierend unter den Fans, gegen den Verband.“

Strafen tun den Vereinen nicht weh
In diesem Zusammenhang untersuchte Winskowski auch, inwieweit Strafen, die der Verein für das Fehlverhalten von Fans bekommt, zielführend seien. Seine Schlussfolgerung: „Die Strafen tun den Vereinen in den meisten Fällen nicht weh.“ Eigentlich sei es die Aufgabe der Vereine, die von den Gerichten verhängten Strafen an die verursachenden Fans weiterzugeben. Doch das geschehe in der Realität kaum. „Weil die Vereine es sich nicht mit den Fans verderben wollen“, sagt der Forscher. „Es herrscht eine gewisse Abhängigkeit zu Fangruppierungen, die Stimmung machen und Pyrotechnik zünden.“ Warum? Philipp Winskowski erklärt es so: „Der Verein will die Stimmung und ein gutes Verhältnis zu seinen aktiven Fans erhalten und akzeptiert die Pyrotechnik daher bis zu einem bestimmten Punkt und damit auch die Strafen.“ Zudem argumentieren die Vereine, dass Fehlverhalten mit Sicherheitskontrollen nur bis zum bestimmten Grad unterbunden werden könne. Schließlich sei die aktive Fanszene überzeugt, dass es immer Wege gebe, Feuerwerkskörper in die Stadien zu schmuggeln.

Nahezu alle Interviewpartner, mit denen sich Philipp Winskowski unterhalten hat, erklärten, dass man Pyrotechnik bei bestimmten Spielen sogar dulden würde. Beispielsweise wenn seit Längerem zwei Teams wieder aufeinandertreffen, unter anderem bei einem Pokalspiel, einem Abendspiel oder auch einem Derby. Während alle aktiven Fanszenen angeben, auch künftig nicht auf Pyrotechnik zu verzichten, bezeichnen die Fußballverbände das herrschende Verbot von Pyrotechnik im Stadion als nicht verhandelbar. Insofern stünden die Vereine in einem Spannungsfeld. Manchmal, so Winskowski, würden Strafen den Fans sogar noch einen Anreiz für ein gesteigertes Fehlverhalten liefern. Eine interviewte Fangruppe hätte beispielsweise angegeben, in einer Saison das Ziel gehabt zu haben, „Randalemeister“ zu werden.

Transparenz und Kommunikation im Fußball
Und dennoch argumentieren nahezu alle Interviewten, dass die Sicherheit in deutschen Profi-Fußballstadien sehr gut sei. Philipp Winskowskis Erkenntnis: „Der Streitpunkt Pyrotechnik muss langfristig angegangen werden.“ Und auch bei der Vermarktung – mittlerweile würden Fernsehverträge den größten Budgetposten ausmachen und nicht die Gelder aus Eintrittskarten beim Fußball – würden die Fans sich zu wenig eingebunden sehen. Aufgrund ihrer gefühlten Ohnmacht würden sie versuchen, sich teilweise durch Proteste, die auch mit strafbarem Fehlverhalten einhergehen, Gehör zu verschaffen. Dazu bedürfe es einer generell verbesserten Kommunikation zwischen allen Parteien, hauptsächlich aber zwischen dem Verein und seinen Fangruppierungen. Text: Wolfgang Thiel

 

Kontakt:
M.Sc. Philipp Winskowski
Universität Rostock
Lehrstuhl für ABWL: Bank- und Finanzwirtschaft
Telefon: +49 381 498-4309


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